Plädoyer für die Wiederentdeckung der Mütterlichkeit
Der folgende Artikel von Stephan Baier ist mit Genehmigung des RSK Wien der Zeitschrift des Rosenkranz-Sühnekreuzzuges um den Frieden der Welt, "Betendes GottesVolk", Nr. 258 , entnommen.
Unsere Gesellschaft braucht mehr Kinder - und Kinder brauchen Mutterliebe mehr als alle professionelle Betreuung.
Wer immer das Licht der Welt erblickt hat, wurde als Kind einer Mutter und eines Vaters geboren. Nichts sollte uns deshalb selbstverständlicher, näher und vertrauter sein als Mutterschaft und Vaterschaft. Dennoch sind gerade Mutterschaft und Mütterlichkeit in unserem modernen Europa aus dem Blick geraten: Unsere Wirtschaft, unser Pensionsversicherungs- und Steuersystem, ja sogar die gesellschaftliche Anerkennung der Frau ist heute vollständig auf die Erwerbsarbeit ausgerichtet. Nicht die Leistung als Mutter und Mittelpunkt einer Familie, sondern einzig die gleichberechtigte "Karriere" in der außerhäuslichen Erwerbsarbeit ist zum finanziellen und sozialen Gradmesser geworden.
Die Erziehung und Betreuung fremder Kinder - als Tagesmutter, Kindergärtnerin oder Lehrerin - gilt als echte Arbeit, die der eigenen Kinder als reines Privatvergnügen.
Nicht nur der gesellschaftliche, sondern auch der finanzielle Druck auf Frauen ist enorm. Eine junge Frau, die sich - vielleicht gar nach einer soliden Ausbildung oder einem abgeschlossenen Studium - für eine Kinder- und Familienphase entscheidet, wird von vielen als vormodern betrachtet, weil sie zugunsten der Familie auf ihre „Selbstverwirklichung" verzichtet, als dumm, weil sie sich trotz horrender Scheidungsraten in die finanzielle Abhängigkeit von einem Mann begibt, und sogar als asozial, weil sie ihr Know-how und ihre Leistungskraft dem Bruttosozialprodukt vorenthält. Immer mehr Frauen haben sich in den zurückliegenden Jahrzehnten deshalb für eine Erwerbsarbeit entschieden - und immer mehr Frauen haben sich gleichzeitig entschieden, ihren Kinderwunsch nicht oder nur teilweise zu realisieren.
Die Folgen dieser Entwicklung sind längst mit Händen zu greifen: Die finanzielle und soziale Diskriminierung der immer weniger werdenden kinderreichen Familien ist weiter gewachsen. Der Leistungsdruck hat viele Familien in die Krise und in Scheidungsdramen geführt. Vor allem ist der Mangel an Kindern bereits heute im Sozialsystem schmerzlich spürbar: Immer schwieriger wird es angesichts der Überalterung der Gesellschaft, die Pensions- und Gesundheitssysteme zu finanzieren, weil immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Alte und Hochbetagte aufkommen sollen. Dazu kommt die zwischenmenschliche Dimension: Wie sollten Kinder, die stets nur in die Fremdbetreuung abgeschoben werden, später als Erwachsene auf die Idee kommen, sich persönlich und liebevoll um ihre alternden Eltern zu kümmern?
Früher als andere hat die deutsche Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Christa Meves erkannt, wohin eine ideologische Politik gegen Mutterschaft und Familie führt. In zahllosen Vorträgen und Büchern hat sie vor einer Zerschlagung der Familie und vor der Diskriminierung jener Frauen, die sich - zumindest für einige Jahre - ganz für die Mutterrolle entscheiden, gewarnt. So zeigt sie etwa in ihrer Kleinschrift„Mütter heute: entwertet, beraubt, vergessen" (2012 im Christiana-Verlag erschienen) die tieferen Ursachen für diesen „Abgrund der Entwertung" auf, mit dem sich Mütter in der vermeintlich modernen Gesellschaft des 21.Jahrhunderts konfrontiert sehen. Die Bemühungen der Frauenbewegung des späten 19. Jahrhunderts um die Öffnung der Universitäten, das Frauenwahlrecht und frauenfreundlichere Gesetze sieht die wortgewaltige Dame durchaus positiv. Doch sie warnt: „In einer blind gewordenen Übertreibung entwickelt der militante Feminismus zerstörerische Züge.
Tatsächlich ist heute viel von „Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf" die Rede, doch fördert der Staat (also der Steuerzahler) nicht Mutterschaft und Mütterzeit für Kinder, sondern die Fremdbetreuung von Kindern, die laut Christa Meves mittlerweile die Dimension der „Kindsberaubung" angenommen hat. Die 1925 geborene Psychotherapeutin, die selbst zweifache Mutter und sechsfache Großmutter ist, hat die psychologischen Folgen der immer früheren und immer flächendeckenderen Fremdbetreuung in ihrer Praxis erlebt. Sie weiß, dass Kinder die „Feinfühligkeit der leiblichen Mutter" brauchen, dass sich die Sprechfähigkeit der kleinen Kinder am besten entwickelt, wenn die leibliche Mutter ständig in ihrer Nähe ist und mit ihnen spricht, dass die ersten Lebensjahre ein „Zeitfenster für lebenslänglichen Optimismus" sind. Sie weiß umgekehrt aber auch, wie viele psychische Erkrankungen, Süchte und Depressionen in unserer jungen Generation gewachsen sind, weil Kindern die Mutterliebe fehlte. Meves warnt vor einem Trend „Neugeborene so rasch wie möglich den neu eingerichteten Bildungsanstalten einzugliedern". Sie wirbt für eine Rückkehr zur Mütterlichkeit, die nicht nur den Kindern gut täte, sondern auch den Frauen.
Viel hat Christa Meves in ihrem jahrzehntelangen Wirken als Psychotherapeutin und Schriftstellerin, als Familien-Lobbyistin und Mahnerin dafür getan, daran zu erinnern, dass Kinder mehr brauchen als Futter und professionelle Betreuung - nämlich Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit. Eine Trendwende von der Verstaatlichung der Kinder hin zu einer Wiederentdeckung der Familie wird es aber nur geben,wenn Mutterschaft nicht nur als Beruf, sondern als Berufung neu entdeckt wird, wenn Familie wieder als schöpfungsgemäße Lebensform des Menschen erkannt wird. Wie es einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt braucht, so braucht es auch einen sorgsamen Umgang mit dem Menschen. Wie es eine artgerechte Tierhaltung gibt, so gibt es auch eine artgerechte Haltung des Menschen - in jenem Schutzraum des Vertrauens und der Liebe nämlich, den die Familie bildet.
Eine „Vorgabe Gottes" nennt Christa Meves die Familie. Würde unsere Politik das begreifen, dann wäre eine tief greifende Trendwende möglich: Die steuerliche, pensionsversicherungsrechtliche und gesellschaftliche Anerkennung der Leistungen der Mütter könnte auch zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen. Familienarbeit anzuerkennen und zu bezahlen ist nicht eine Frage des Mitleids oder des „Lastenausgleichs", sondern der gesellschaftlichen Gerechtigkeit. Und angesichts des dramatischen Kindermangels in ganz Europa ist es mittlerweile auch eine Frage der politischen Vernunft. Es wäre also hoch an der Zeit, die ideologische Enge einer individualistischen Selbstverwirklichungsmentalität zu durchbrechen und die Familie als Quelle des Lebensglücks neu zu entdecken. (Betendes GottesVolk 2014/2 Nr.258, Seite 3f)